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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29

Automated Translation

Das Magazin für Litertur 1898, Volume 67, 47

150. The Free Literary Society in Berlin 1898

Hans Olden and Ernst von Wolzogen gave the "Freie Literarische Gesellschaft" a wonderful evening on November 17. Olden read his one-act drama "Finale". My relations with Olden's capricious muse have rarely been as good as this time, when he is also a bit of a poet and not just a playwright. Luise, the wife of the highly respected Legation Councillor von Mellenthin, has a lover, Viktor von Bibrach. This Viktor is one of the many individuals of the male species that all men are indifferent to, with the exception of women, who "cannot live" without this "ideal of man". The drama takes place on the evening when this ideal has to shoot himself because people say he cheated at cards in the sports club. People used to say all sorts of things about him: that's why he took his leave as an officer. Luise von Mellenthin and her friend Lene von Hartmann - why does she take her with her? - to a "fat tree" in the spa facilities of a large seaside resort. She is sure that no one will come there except Viktor, whom she has summoned to give him an important message. For this "Viktor von Bibrach" - she reveals to her friend - "I love him and am loved by him again"; she has "given herself to him without reflection" and would be "ashamed" if she had "reflected". Good Luise has morals in her heart. Her husband cannot say that she "betrayed him". "I don't like him and I didn't hide it from him. I haven't been his wife since I met Viktor... No, I'm not that kind of woman." Now the beloved Viktor arrives, and Luise reveals to him - while her friend retreats to the side - that she had written a letter to him, but that it had been thrown into the street by the wind while the maid was beating out her clothes and found there by the disgusting Baron Fleischer. The stock exchange baron Fleischer is disgusting because he found the letter and then said to Legation Councillor Luise von Mellenthin: "Either - or". The "or" means that if it is not "either", he wants to send the letter to the Legation Councillor immediately. Mr. von Bibrach is now acting as a man of honour. He arranges for the Legation Councillor to summon Baron Fleischer to see him. There, the Bibrach makes another "either - or" clear to the butcher. Either you hand over the letter immediately or I'll shoot you. And at the same time, Mr. von Bibrach reveals that it won't be difficult for him to shoot someone else "tonight". After all, he wants to shoot himself afterwards. So why shouldn't he take another one with him into the uncertain afterlife? After the baron has made an attempt to save the life of the ruined Herr von Bibrach, and thus his own, with the banknotes he has captured on the stock exchange, he prefers to save himself alone by handing over the letter. But Mr. von Bibrach says to his lover: "We loved each other - so wild and hot. Tonight I have to die of it. And you will bravely tolerate it - without a word, without a countenance. A little lioness. Farewell."

Ernst von Wolzogen then delighted the company by reciting some of the poems he had published in "Jugend" and "Simplizissimus". The masterly satirical tone of these poems, which is so appealing in the poet's excellent rendition, rightly put the audience in a cheerful mood. And the story "Der seidene Jupon" was followed with pleasure, which Wolzogen read in an excellent manner and in which he proved himself to be a dramatist of storytelling like few others. It is amusing to see what life the simple fact gains in the story that the dear innocent Katherl sees a silk petticoat on her school friend, now sets such a petticoat as her ideal, puts every penny she has saved aside for it and finally degenerates morally through this inclination towards the better.

FREIE LITERARISCHE GESELLSCHAFT IN BERLIN 1898

Hans Olden und Ernst von Wolzogen haben der «Freien Literarischen Gesellschaft» am 17.November einen schönen Abend geschenkt. Olden las sein einaktiges Drama «Finale» vor. Meine Beziehungen zu Oldens launenhafter Muse waren selten so gute wie diesmal, wo er auch ein wenig Dichter und nicht nur Theaterschriftsteller ist. Luise, die Frau des höchstgeachteten Legationsrat von Mellenthin, hat einen Geliebten, den Viktor von Bibrach. Dieser Viktor ist eines von den Individuen der so zahlreichen Männergattung, die allen Menschen gleichgültig sind, mit Ausnahme des Weibes, das ohne dieses «Ideal von Mann» «nicht leben kann». Das Drama spielt an dem Abend, an dem sich dieses Ideal erschießen muß, weil die Leute von ihm sagen, es habe im Sportklub beim Kartenspiel betrogen. Früher einmal haben auch schon die Leute von ihm allerlei Dinge gesprochen: deswegen hat er seinen Abschied als Offizier genommen. Luise von Mellenthin ist mit ihrer Freundin Lene von Hartmann — warum nimmt sie die mit? — zu einem «dicken Baum» in den Kuranlagen eines großen Badeortes gegangen. Sie ist sicher, daß dort niemand hinkommt, außer Viktor, den sie hinbestellt hat, um ihm eine wichtige Mitteilung zu machen. Denn diesen «Viktor von Bibrach» — das verrät sie der Freundin — «liebe ich und werde von ihm wiedergeliebt»; sie hat sich «ihm ohne Besinnen gegeben» und «schämte» sich, wenn sie sich «besonnen hätte». Die gute Luise hat Moral im Herzen. Ihr Mann kann nicht sagen, daß sie «ihn betrogen habe». «Ich mag ihn nicht und hab ihm das nicht verhehlt. Ich war nicht mehr seine Frau, seit ich Viktor... Nein, so eine bin ich nicht.» Nun kommt der geliebte Viktor, und Luise verrät ihm — während die Freundin sich seitwärts zurückzieht —, daß sie an ihn einen Brief geschrieben habe, dieser aber beim Ausklopfen der Kleider durch das Dienstmädchen vom Winde auf die Straße geworfen und dort von dem ekligen Baron Fleischer gefunden worden sei. Der Börsenbaron Fleischer ist eben eklig, denn er hat den Brief gefunden und darauf der Legationsrätin Luise von Mellenthin gesagt: «Entweder — oder». Das «Oder» bedeutet, daß er, wenn das «Entweder» nicht ist, den Brief unverzüglich dem Herrn Legationsrat übermitteln wolle. Der Herr von Bibrach handelt nun als Ehrenmann. Er veranlaßt die Frau Legationsrätin, den Baron Fleischer zu sich zu bestellen. Dort macht der Bibrach dem Fleischer wieder so ein «Entweder — oder» klar. Entweder du gibst den Brief sofort heraus, oder ich erschieße dich. Und zugleich verrät der Herr von Bibrach, daß es ihm «heute abend» gar nicht schwer wird, einen anderen zu erschießen. Denn er will sich hinterher doch gleich selbst erschießen. Warum sollte er also nicht noch einen mit ins ungewisse Jenseits nehmen. Nachdem der Baron noch den Versuch gemacht hat, mit seinen an der Börse erbeuteten Scheinen das Leben des verkrachten Herrn von Bibrach und damit auch sein eigenes zu erhalten, rettet er lieber sich allein durch Herausgabe des Briefes. Der Herr von Bibrach aber sagt zu seiner Geliebten: «Wir haben uns lieb gehabt — so wild und heiß. Heute abend hab ich daran zu sterben. Und du wirst's mutig dulden — ohne ‘Wort, ohne Miene. Eine kleine Löwin. Leb wohl.»

Ernst von Wolzogen erfreute hierauf die Gesellschaft mit dem Vortrag einiger Gedichte, die er in der «Jugend» und im «Simplizissimus» hat erscheinen lassen. Der meisterhaft satirische Ton, der aus diesen Dichtungen spricht und der in der ausgezeichneten Wiedergabe des Dichters so reizvoll wirkt, hat die Zuhörer mit Recht in frohe Stimmung versetzt. Und mit Genuß wurde die Erzählung «Der seidene Jupon» verfolgt, die Wolzogen in ganz vorzüglicher Weise las, und in dem er sich als Dramatiker des Erzählens erwiesen hat, wie es wenige gibt. Es ist lustig zu sehen, welches Leben in der Erzählung die einfache Tatsache gewinnt, daß das liebe unschuldige Katherl bei ihrer Schulfreundin einen seidenen Unterrock sieht, einen solchen sich nun auch als Ideal vorsetzt, für ihn jeden ersparten Pfennig zurücklegt und durch diesen Hang zum Bessern endlich moralisch verkommt.